Im Mittelpunkt des
„Herrn der Ringe“ steht ein Ring, der
eigenartige Mächte besitzt: er kann seinen Träger
unsichtbar, aber gleichzeitig für die ‘Macht des Bösen’
sichtbar machen, er scheint scheinbar einen eigenen
Willen zu haben etc. etc. Des weiteren passiert das alles
in einer Welt, die noch ‘in Ordnung’ ist, aber
deren Fortbestand vom ‘Bösen’ bedroht ist,
eine Welt, die bevölkert ist von eigenartigen Wesen:
Zauberern, Zwerge, Elben, Orks usw.
Was lässt
sich aus einem dergestalten Entwurf alles verstehen? Ist
es einfach die komplexe Ausgeburt einer blühenden
Phantasie? Vielleicht. Aber vielleicht ist es auch möglich,
diese Phantasiewelt als Verfremdung für die reale Welt
zu verstehen, so dass letztere durch erstere in ihrer
ideologischen Strukturierung klarer erkenntlich wird und
erstere mittels Ideologiekritik ihren Bezug zu letzterer
erhält.
Dieser
Artikel verfolgt somit das Ziel, der Frage nachzugehen,
ob ‘Der Herr der Ringe’ uns etwas über die
kapitalistische Vergesellschaftung erzählen kann. ‘Kapitalistische
Vergesellschaftung’ ist jedoch als Begriff weit zu
fassen, als damit eine Grundkonstellation eingefangen
werden soll, die hinter das zurückgeht, was gewöhnlich
unter dieser Gesellschaftsform verstanden wird: Es geht
somit um die Subsummierung der Welt unter das Gesetz des
Werts bzw. des Äquivalents, wie sie z.B. in der „Dialektik
der Aufklärung“ Horkheimer und Adornos analysiert
und kritisiert wird.
Die
relevanten Kategorien, denen in dieser Analyse nachgespürt
werden soll, sind dergestalt das strukturierende Prinzip
des Werts, die Herrschaft, der Antisemitismus, die
Geschlechterordnung, das Verhältnis des Menschen zu sich
selbst, zur Technik und zur Natur.
Die
folgende Kritik sollte aber nicht so verstanden werden,
dass es nur darum ginge, dem „Herrn der Ringe“
antisemitische oder sonstige Propaganda nachzuweisen oder
zu unterstellen, sondern anhand eines — wiewohl sich
hierfür als vorzügliches offenbarenden — Beispiels
gezeigt werden, wie die realen Konstellationen die
phantastischen einholen und umrahmen.
John
Ronald R. Tolkien hat ein komplexes Universum geschaffen,
von dem die Erzählung des „Herrn der Ringe“
nur ein Ausschnitt ist. Im „Silmarillion“
entwarf er eine eigene Mythologie, in der die gesamte
Vorgeschichte seiner Welt entfaltet wird, mit dem
Erwachen der ersten (männlichen) Gottheit beginnend, und
in der mann/frau auch erfährt, was es mit den Ringen (20
an der Zahl) auf sich hat: Bis auf drei (jene der Elben)
wurden alle unter der Aufsicht Saurons (Gorthaur, der
‘dunkle Herrscher’), geschmiedet, der damals
noch seine wahre Natur versteckte und sich als Freund und
Berater der Elbenherrscher ausgab.
Heimlich
schmiedete er den einen Ring, der alle anderen an dessen
Macht binden sollte: „… ein Ring sie zu
knechten, sie alle zu finden, ins Dunkel zu treiben und
ewig zu binden …“. Doch sein Plan wurde
entdeckt und ihm blieb nur die Flucht. So zog er sich zurück,
um nach Rache zu sinnen und die Ringe in seine Macht zu
bekommen. Dies gelang ihm auch, und bis auf die drei
bekam er alle. Er schenkte sieben den Zwergen, doch sie
sind, laut Erzählung, zu eigensinnig, um sich leicht
beherrschen zu lassen: Diese Ringe gingen verloren. Den
Menschen schenkte er neun, und hier gelang sein Vorhaben:
Je mehr sich die Menschenkönige der Ringe Macht
bedienten, desto mehr verfielen sie ihnen, die alle von
dem Einen beherrscht wurden, bis sie letztlich langsam in
die Schattenwelt überglitten und zu Ringgeistern (Nazgûl)
wurden.
Mittelerde
ist nun, zur Zeit der Erzählung des „Herrn der
Ringe“, erneut bedroht. Sauron ist wieder zu Kräften
gekommen, und noch körperlos ist er bestrebt, den ‘einen
Ring’ (auch: ‘der beherrschende Ring’), an
den seine Existenz gebunden ist, wieder zu finden. Er
verlor ihn im Kampf, und durch den damit einhergehenden
Verlust seiner physischen Gestalt und (vorübergehend)
seiner Macht, auch aus den Augen.
Der
Ring wechselte die Besitzer und jeder, der ihn fand,
wollte ihn nicht mehr hergeben und wurde so zu seinem
Sklaven und dieser zu deren ‘Schatz’. Während
Sauron und der Ring Eins sind, wurde Gollum (Sméagol),
Angehöriger eines ‘Fischervolks’, der den Ring
einst fand und ihn lange besaß, zu dessen vollkommensten
Sklaven. Gollum ist völlig besessen von ‘dem Einen’,
sodass er, durch Hassliebe gespalten, in ständiger
Zwiesprache mit ihm steht.
Mit
seinem Wiedererstarken bedroht Sauron die ‘freien Völker
Mittelerdes’, die da wären: Menschen, Elben,
Zwerge, Hobbits. Frodo, ein Hobbit, ist der aktuelle
Besitzer des Ringes, und ihm wird aufgetragen, ihn endgültig
zu vernichten, nämlich indem er ihn den Flammen des
Schicksalsberges überantwortet, in denen er einst
geschmiedet ward.
Zuallererst
ist festzustellen, dass auch dieses Skript, wie so viele,
von der banalen Gegenüberstellung von ‘Gut’ vs.
‘Böse’ lebt. Diese beiden Welten sind
wesensartig verschieden, so weit, dass beispielsweise
‘Orks’, das sind hässliche Diener Saurons,
gefallene Elben, das Sonnenlicht meiden, während Trolle
darin sogar verenden, indem sie zu Stein werden.
Auf
seiten der ‘Guten’ ist die Welt ebenfalls in
wesensartig verschiedene Kollektive aufgeteilt, also
Rassen. Die Zwerge suchen unter der Erde beständig nach
Reichtümern, ohne damit ein Endziel zu verfolgen,
akkumulieren also in protestantischer Arbeitsethik
anscheinend zu bloßem Selbstzweck kontinuierlich Wert.
Sie stehen somit für eine Arbeitslegion, ein
Proletariat, bestehend aus Kumpeln, das gar nicht mehr
‘von oben’ beherrscht werden muss, sondern
bereits völlig automatisiert das will, was es soll: Wert
schaffen. Wozu, das ist egal. Ihr aus dieser
Konstellation entspringender Stumpfsinn ist auch daran
erkenntlich, dass der Versuch Saurons, sie mittels der
sieben Ringe zu beherrschen, fehlschlägt, weil sie schon
längst in ihrer Funktion aufgehen, somit Herrschaft
leben.
Die
Hobbits stellen ein ‘ursprüngliches’ Verhältnis
zur Natur dar: Sie betreiben Ackerbau und leben friedlich
im ‘Einklang’ mit der Erde. Sie sind scheinbar
präkapitalistisch: harmlose, gesellige Wesen, die keiner
Fliege was zuleide tun. Nichtsdestotrotz sind es gerade
sie, denen für das Schicksal Mittelerdes eine gewichtige
Funktion zukommt, doch dazu später.
Elben
hingegen bekommen einen Status, der jenen von
Waldgeistern ähnelt: Sie haben magische oder ans
Magische grenzende Fähigkeiten und ‘schwingen’
mit der Erde, so dass gesagt werden könnte, hier liege
keine wirkliche Trennung von isoliertem Subjekt und äußerlichem
Objekt (Natur) vor: Sie sind Natur selbst.
Die
Menschen wiederum sind zerstreut, haben ihr Verhältnis
zur Welt verloren und sind dadurch beständig bestrebt,
dieses wieder einzufangen. Der Weg, den sie dafür wählen,
ist jener der völkisch–nationalen Vereinigung:
Isildur schaffte es zwar, in der letzten großen Schlacht
Sauron den Finger mit dem Ring abzutrennen, starb aber
kurz darauf, weil der Ring, den er an sich nahm, ihn
‘verriet’ (hierin wird schon der
Fetischcharakter des Ringes erkennbar), und so ging die
menschliche Einigkeit verloren. Die Erben Isildurs (der
letzte dieser ist Aragorn) verstreuten sich und Minas
Tirith, die Stadt des Königreiches Gondors, wurde von
Truchsessen (also bloße vorläufige Verwalter) regiert.
Im Laufe der Erzählung wird Aragorn schließlich sein
Erbe antreten und mit Narsil, der wiedergeschmiedeten
Klinge Elendils, des Vaters von Isildur, als königlicher
Anführer das somit wiedervereinigte menschliche ‘Volk’
in den letzten Krieg führen.
Schließlich
sind da noch die Istari, Zauberer, die von den Göttern persönlich geschickten Wacher über das Schicksal von Mittelerde.
Sie nehmen somit die Rolle von Priestern ein, den Verkündern
der von Gott überlieferten Wahrheit, die dadurch schlichtweg
naturgemäß einen größeren Durchblick haben müssen.
Die prominentesten davon sind Gandalf (Olórin oder auch
Mithrandir) und Saruman (Curunir), wobei letzterer die
Seiten wechselt.
Die
Orks endlich sind die lebendige Abspaltung der elbischen
Ambivalenz (sie waren ja einstmals Elben; s.o.) und
dadurch vollkommen böse, einfach von Natur aus, ohne
besonderen Grund oder innere Motivation. Deswegen kann
mann sie auch gewissenlos töten, sie sind nicht nur tötenswert,
sondern sogar tötungswürdig, da braucht mann
beim munteren Dahinschlachten auch kein schlechtes
Gewissen zu haben.
‘Das
Böse’, dem die Orks so vollkommen verfallen sind,
ist, ab dem Moment, als Isildur Sauron den Ring
abschnitt, körperlos. Isildurs Tat löste die
Personifizierung der Identität von Identität und Nicht–Identität
(wir hörten schon: Sauron und der Ring sind Eins) auf:
Die Herrschaft wurde anonymisiert und Sauron zum „ABSOLUTEN
SUBJEKT“ (Althusser), selbst nicht real, aber sich
in seinen Anhängern realisierend. Der Ring selbst wird
zum real Abstrakten, zum Ding, das gleichzeitig nicht es
selbst ist, Konkretes und Abstraktes in einem: zum Wert.
Als solches Ding hat es natürlich auch Fetischcharakter:
Er zieht in seinen Bann, verführt seine Besitzer (im
Buch sind es immer nur Männer) dazu, ihn zu benützen,
um so seinem Alter–Ego, Sauron, zu zeigen, wo er
sich befindet. Dieser schickt darauf hin ‘die Neun’
los, die ‘Ringgeister’, um ihn zu holen.
Zusätzlich
hat der Ring die Macht, unsichtbar zu machen: Er lässt,
seiner Logik gemäß, das Besondere verschwinden,
das nur mehr dem Gesetz des Allgemeinen folgt. Des
weiteren muss jeder, der den Ring trägt, die Bürde der
Einsamkeit ertragen, da diese nicht teilbar ist: Er wird
zum vereinzelten Warenträger.
Der
Ring steht außerdem insofern für das Verhältnis zur
Welt, als durch die Apotheose (d.i. Vergottung) Saurons,
seine Transzendierung vom Subjekt zum ABSOLUTEN SUBJEKT,
er (also Sauron) zur abstrakten Bedrohung des
Lebens wird. Er wird zur Todesfigur, zum Tod selbst, der
das Leben bedroht und es dadurch ‘dringlich’
macht.
Durch
die Anonymisierung der Herrschaft, die im Wert (dem Ring)
ihr konkret Abstraktes (oder abstrakt Konkretes) findet,
entsteht somit erst jene Konstellation, welche dem Tode
eine derartige Prominenz gibt, die dann von Heidegger als
eine fundamentalontologische gesetzt wird. Aus dieser
grundlegenden Konstellation wird erst die oberflächliche
verständlich, wie sie eingangs beschrieben wurde: ‘gute
Welt’ vs. ‘böse Welt’, somit Leben, das
gegen sich selbst kämpft oder präziser: Das als ein
reines imaginierte Leben (das ‘Gute’), welches
das real beschädigte oder verstümmelte (dividierte)
ist, kämpft gegen sein lebendig gewordenes Abgespaltenes
(das ‘Böse’ = Tod).
Das führt
uns sogleich in die Gefilde des Antisemitismus und des
Geschlechterverhältnisses. In jenes des Antisemitismus
insofern, als Gollum (s.o.) jenes Wesen ist, welches dem
Ring am ähnlichsten wurde: Er ist selbst gespalten,
spricht beständig mit sich bzw. dem Ring, es ist keine
klare Trennung mehr erkenntlich. Er ist besessen vom Ring
und verfolgt dessen Spuren ab dem Moment, wo er ihn
verlor. Obwohl er ihn liebt, hasst er ihn gleichzeitig,
da er ihn von einem ‘Angehörigen eines Fischervolks’
zu einem gekrümmten, schleimigen Wesen machte, das
seinen Freund ermordete, um ihn zu besitzen und voller
Durchtriebenheit nur nach der Wiedererlangung seines
‘Schatzes’ strebt.
Am
Ende der Erzählung (Vorsicht: Spoiler!), als Frodo am
Abgrund des Schicksalsberges steht, um den Ring
hineinzuwerfen, ihm jedoch schon zu verfallen ist und
dies nicht mehr vermag, ist es Gollum, der im Kampf mit
Frodo dessen Finger abbeißt, tanzend vor Freude stolpert
und in die feurige Kluft stürtzt und so den Ring mit
sich reißt. In der Identifikation von Gollum mit der
klassisch anitsemitischen Figuration, erhellt sich die
grauenvolle Parallele: Der Wert kann nur mit dessen
Personifikation, also ‘dem Juden’, vernichtet
werden. Aber es ist nicht so, dass ‘der Jude’
vernichtet wird, nein, in seiner Gier, seiner Freude um
den Besitz des Werts, stürtzt er selber in die
Vernichtung. Das sollte die eigentliche
Historie sein, welche die Revisionisten auch predigen und
hier liegt die ‘Infamie’ des Jüdischen, nämlich
die eigene Vernichtung den Deutschen anzulasten.
Das
Gefilde des Geschlechterverhältnisses offenbart sich
dadurch, dass der Ring nur dadurch vernichtet werden
kann, indem er in die „feurige Spalte“ oder
„Kluft“ zurückgeworfen wird, aus der er einst
kam. Der Wert, als männliche Instanz, bekommt in seiner
Magie einen unheimlichen Charakter, er wird zum Unprodukt
des Nicht–Männlichen, somit des Weiblichen.
Das
Weibliche ist der Natur gleich und in dieser Setzung wird
der eigentliche Schöpfer des ‘Bösen’, der
Mann, zum Verschwinden gebracht: Der Urheber des falschen
Ganzen geriert sich als Retter vor diesem. Wenn der Ring
vernichtet ist, wird es möglich sein, solide Wesen aus
der Mitte einer reinen männlichen Ordnung entspringen zu
lassen — das soll die Legende erzählen. Was sie
aber dadurch zum Schweigen bringen will ist, dass sie die
Lüge par excellance verkörpert, ist doch die männliche
Ordnung bereits verwirklicht.
Die Nähe
der antisemitischen Deutung zu jener der
Geschlechterordnung, die sich aus dieser Konstellation:
Vernichtung des Werts, vollzogen am Jüdischen, mittels
der Pervertierung der weiblichen Fähigkeit des Leben–Schenkens,
also des Tötens, ergibt sich aus der Perversion (Verkehrung)
der gesamten männlich–antisemitischen Konstruktion,
in der ja ‘das Jüdische’ beispielsweise ‘weibisch’
ist. Leider kann ja, der biologischen Reproduktion wegen,
das Weibliche — im Gegensatz zum Jüdischen —
nicht vernichtet werden, also bleibt nur die Unterdrückung
und Unterwerfung.
Das
‘Jüdische’ und das ‘Weibliche’
entstehen somit aus einer bestimmten männlichen Setzung,
deren Resultat: das gefestigte Subjekt, sich alles zum
Feinde macht, was mit ihm nicht–identisch ist. Das
ist zuallererst die Frau und sodann — durch die
kontinuierliche Durchsetzung der Logik des Werts, also
der Subsummierung alles Besonderen unter ein Allgemeines
und der dadurch erfolgenden Spaltung aller Subjekte
— das Jüdische, dem das aus dieser Spaltung
folgende Elend angelastet wird und das deswegen
vernichtet werden muss.
Dieser
Aufgabe unterstehen im „Herrn der Ringe“ alle
‘Rassen’ der ‘guten’ Seite (Menschen,
Elben, Zwerge, Hobbits) und für dieses Ziel werden
‘die Menschen’ zum ‘Volk’. Doch diese
Menschen sind nicht die Deutschen in ihrer historischen
Rolle, sondern einfach nur die ‘zivilisierten europäischen
Rassen’. ‘Die Deutschen’ werden hingegen
von den Unscheinbarsten der Vorfindlichen gestellt: den Hobbits. Sie sind es, die als einzige der
vorfindlichen ‘Gattungen’ eigenständige
Subjekte sind, welche in Harmonie mit der Natur leben,
die somit nicht, wie die Elben, Natur sind oder wie die
Zwerge diese schänden.
Diesem
heilen Weltverständnis steht das Zerstörerische gegenüber,
das z.B. vom gewendeten Saruman gelebt wird: Dieser
betreibt, nunmehr als Böser, Raubbau an der Natur, reißt
Bäume aus, verbrennt die Erde, treibt Stollen in sie
mittels dämonischer Technik. Er ist der Vergewaltiger
der weiblichen Natur, der sie beherrschende (über)mächtige
Mann, der ihre Bedürfnisse, wenn überhaupt,
unterordnet, meistens aber schlicht wegwischt. Alles hat
seinen Zwecken zu gehorchen und dient nur als
Ressourcenquelle für die eigenen, zerstörerischen Pläne.
Die
Zwerge bohren zwar auch ihre Stollen in die Berge, aber
sie bringen als ‘Gegenwert’ ästhetischen
Gewinn ein: Sie bearbeiten den Stein in kunstvoller
Manier, das Ornament verschleiert den herrschaftlichen
Gewaltakt. Das abgespaltene Böse hingegen kennt seiner
Natur nach keine Schönheit außer jener der Zerstörung
und Vernichtung. So entpuppen sich beide als
Vergewaltiger, doch die Zwerge operieren mittels ‘guter’
Technik, während bei den anderen das wahre Wesen der
Technik offenbar wird, das erstere verleugnen.
Schließlich
mutiert Saruman auch noch zum Genetiker, zum ‘bösen’
Schöpfer, da er, mittels Kreuzung verschiedener
Kreaturen die ‘kämpfenden Uruk–hai’
erschafft, denen die Sonne nichts anhaben kann. Durch
diesen Eingriff in die Natur der Reproduktion offenbart
er die Schrankenlosigkeit seines Machtstrebens, er überschreitet
das letzte Tabu und besiegelt damit seinen Seitenwechsel
als einen absoluten.
Die
Konstellation, in welcher wir ‘Mittelerde’
vorfinden, offenbart sich als eine extrem krisenhafte,
als die Krise par excellence. Vor unseren Augen wird
nichts weniger inszeniert, als das Schicksal der Welt:
der letzte Kampf zwischen Gut und Böse, der Verderben
oder Frieden bringen wird. Das männliche
Emanationszentrum wird dabei verleugnet, das Außen, das
Andere wird zur Quelle der Angst, zur Bedrohung, die in
dieser Verkehrung vernichtet werden muss, um der eigenen
Vernichtung zuvor zu kommen. Hieraus ergibt sich auch zwangsläufig die schlichte Notwendigkeit, die Alternativlosigkeit
dessen, was getan werden muss: töten und vernichten ohne
Rücksicht auf Verluste. Die versteckte Quelle des
Unheils wird zu dessen ‘Heil’ und somit muss es ein Hobbit sein, der die letzte Aufgabe verrichtet, zum
Wohle aller, denn die Hobbits sind — als eigenständige
Subjekte — jene mit dem einzig ‘richtigen’
Verhältnis zur Natur und zur Welt (s.o.). Das ‘Rezept’
der Geschichte (‘Geschichte’ ist nun im
doppelten Sinne verständlich: als Historie und als Erzählung)
lautet also: Am hobbitschen Wesen soll die Welt genesen.
Lassen
wir Heidegger, als „wahrem Meister der Krise“ (Gerhard
Scheit), das Schlusswort: „Das Spiegel–Spiel
der weltenden Welt entringt als das Gering des Ringes die
einigen Vier in das eigene Fügsame, das Ringe ihres
Wesens. Auf dem Spiegel–Spiel des Gerings des Ringes
ereignet sich das Dingen des Dinges.“ (Martin
Heidegger, „Das Ding“)